Wenn alles zu viel wird, dem Trubel der Großstadt entfliehen – das war der lange gehegte Traum einer jungen Familie aus Wien. Das Waldviertel, von vielen die „herbe Toskana Österreichs“ genannt, bietet zauberhafte Rückzugsorte, verwunschene Kraftplätze – und ist nicht weit von Wien entfernt. Willkommen am Thurnberger Stausee
Mitten im Wald liegt unser Haus am See … was für viele wie ein Märchen klingt, ist für die Bauherren und ihre kleine Tochter Wirklichkeit. Die Wiener Jungfamilie zieht es immer wieder hinaus aus der Stadt ins idyllische Waldviertel, wo sie sich mit Unterstützung von Architekt Andreas Etzelstorfer in nur vier Monaten Bauzeit eine zweite Heimat, einen Gegenpol zur Stadtwohnung, geschaffen haben.
Paradies am See
Nur wenige Meter trennen das Ferienhaus vom Ufer des Thurnberger Stausees. „Ein idealer Startpunkt zum Schwammerlsuchen, Eislaufen, Fischen und für kleine Wanderungen in die umgebenden Wälder“, schwärmt der Familienvater. Er und seine Frau möchten möglichst wenig in den natürlichen Kreislauf eingreifen, die Vorgabe „minimalinvasiver Ansatz“ galt daher für das gesamte Projekt. Schon für den Bau selber wurde nur gerodet, was unbedingt erforderlich war, weshalb sich die junge Familie über nahezu unberührtes, üppiges Grün direkt vor ihrer Haustür freuen darf. Ihr Häuschen fügt sich mit seinen klaren Konturen und seiner dunklen Farbe malerisch in die wild-romantische Umgebung ein. Konsequenterweise wird auch das umliegende Grundstück nur sehr reduziert bewirtschaftet. Auch bei Materialeinsatz und Verarbeitung sollte die Ökologie im Vordergrund stehen. Um das zu erreichen, griff Architekt Andreas Etzelstorfer teilweise sogar auf uralte Handwerkstechniken zurück.
Typisch Waldviertel
Stilistisches Vorbild waren „Forest Retreats“, also hüttenartige Zufluchten im Wald. Andreas Etzelstorfer entwarf den nahezu komplett mit Lärchenholz verkleideten, fast schwarzen Holzbau in Anlehnung an die typischen Waldviertler Scheunen und Stallungen. Nach alten Überlieferungen entstand die charakteristische Farbe ursprünglich durch einen Ochsenblut-Anstrich. Einen optischen Kontrast zum dunklen Holz erzeugt, von außen betrachtet, nur das Kellergeschoss aus Sichtbeton, das sich in den Hang gräbt und die horizontale Dimension des Hauses aufmacht.
Eine weitere Herausforderung neben den gewünschten minimalinvasiven Baumaßnahmen: Das 1.300 Quadratmeter große Grundstück liegt an einem dicht bewaldeten Nordhang, der steil zum Ufer hin abfällt. „Ein echtes Sonnenhaus zu bauen, war hier illusorisch“, berichtet Etzelstorfer. Dennoch: Mit einer gezielten Ausrichtung der Fenster und einem durchdachten Tageslichtkonzept (imposante, seitliche Festverglasungen nach Süden und Osten sowie zusätzliches Tageslicht von oben) sorgte der Architekt dafür, dass das Haus ausreichend mit natürlichem Licht durchflutet wird.
Ventilation und Belichtung
Aufgrund der schattigen Lage kommt den beiden Dachfenstern im Steildach eine besonders wichtige Rolle zu: Sie sind nach Süden ausgerichtet und lassen durch ihre hohe Position über den Baumwipfeln besonders viel Tageslicht eindringen. Zusätzlich dienen sie dadurch auch perfekt der natürlichen Belüftung. Bei offenen Dachfenstern und gleichzeitig geöffneter Haustüre steigt die verbrauchte Luft nach oben und zieht durch die Dachfenster ab, während frische Luft von unten ins Haus nachströmt. Das nennt man den Kamineffekt.
Das monolithische Erscheinungsbild des Gebäudes entstand durch die charakteristische Farbe von Dach und Fassade. Dazu griff Architekt Etzelstorfer auf eine mittelalterliche Handwerkstechnik zurück: das Ankohlen. Die Lärchenholzlatten der äußeren Ebene von Dach
und Fassade wurden zunächst oberflächlich verbrannt, der Brandprozess wurde dann durch Schocklöschen gestoppt. Durch dieses Verfahren bildet sich an der Oberfläche eine wasserabweisende Verkohlungsschicht, die das Material gegen Witterungseinflüsse schützt. Eine anschließende Behandlung mit Öl verstärkt diese natürliche Schutzmaßnahme.
Das Innenleben: Minimalismus mit Komfortfaktor
Auch im Inneren stellte der Wunsch der Bauherren, ökologisch und mit möglichst natürlichen Materialien zu arbeiten, die Weichen: Die gewünschte Anlehnung an „Forest Retreats“ trifft auf wunderbar weiche, skandinavische Klarheit. Die verwendeten Materialien wurden dabei so wenig wie möglich behandelt. Die mit Fichtenholz verkleideten Innenwände z. B. sind farblos geölt, auf dem Boden ist geschliffener Sichtestrich zu sehen.
Im großzügigen Hauptraum des Hauses dominiert tageslichtdurchflutete Offenheit. Fast die gesamte Ostfassade des Gebäudes nimmt ein riesiges Panoramafenster ein, das von jedem Platz im Raum einen freien Blick auf den See ermöglicht, so auch vom Schreibtisch aus: „Manchmal bringe ich Projekte aus dem Büro mit hierher. Vor allem kreative Aufgaben fallen mir hier leichter als in der Stadt“, erzählt der Bauherr. Der Hauptzweck des Refugiums am Thurnberger sStausee lautet jedoch Erholung: Ein stattlicher Kamin und komfortable Lesesessel laden ebenso wie das gut ausgestattete Bücherregal zum Entspannen und zu Momenten der Ruhe ein.
Vom Hauptraum gelangt man über eine Holztreppe auf die Galerie, die zusätzliche 36 Quadratmeter Wohnraum schafft und als Gästezimmer oder Rückzugsraum genutzt wird. „Wenn wir beim Spielen mit unserer Tochter auf dem Boden sitzen, blicken wir auf die Baumwipfel der umliegenden Hänge und nachts können wir durch die Dachfenster den Sternenhimmel beobachten – einfach herrlich“, schwärmt die Bauherrin.
Besonderes Highlight: Im Schlafzimmer steht auch die Badewanne! Die südwestliche Wand des Raumes besteht vollständig aus Glas und gibt daher auch beim Baden den Ausblick auf den Berghang frei – Entspannung pur ist garantiert!
Minimalistischer Materialeinsatz – voller Komfort
Dass eine minimalistische Einrichtung und ökologische Prinzipien nicht zwangsläufig mit Kargheit und einem Mangel an Komfort einhergehen müssen, zeigt die Heizungslösung. Ihr Herzstück ist der Kamin, dessen Brennholz die Familie aus dem eigenen Baumbestand schlägt und im offenen Kellerraum im Betonsockel des Hauses trocken lagert. Diese Feuerstelle ist nicht nur direkte Wärmequelle für den Hauptraum, sondern erhitzt gleichzeitig auch das notwendige Warmwasser für die Fußbodenheizung, die unter dem Sichtestrich verlegt ist. Vor allem die kleine Tochter der Familie profitiert beim Spielen auf der Krabbeldecke von der angenehmen Bodenwärme.
Wir wünschen der Jungfamilie wunderbare Stunden in ihrem Waldviertler
Refugium, am Thurnberger Stausee, und viele sternenklare Nächte!